700 Musiker:innen spielten am 9. November gleichzeitig entlang des 4 Kilometer langen, ehemaligen Mauerverlaufs. In diesem neuen Beitrag von Björn erfahrt ihr mehr über die 8 Songs vor, die das Line-Up zum 35 jährigen Mauerfall-Jubiläums bildeten.
Den ersten Song des Line-Ups, People Have The Power von Patti Smith (1988), haben wir Euch im letzten Blogbeitrag bereits vorgestellt.
Z.B. SUSANN – CITY (1987)
Das Album “Casablanca” war die erfolgreichste Platte der 1972 gegründeten Band City in der DDR. Als cineastisches Konzeptalbum wurde Casablanca einerseits in der Filmwelt verortet, die auf dem Album vertretenen Songs wie „Wand an Wand“ oder „Halb und Halb“ setzen sich aber konkret mit der Teilung Berlins und Deutschlands und den daraus entstehenden, aber scheinbar nie realisierbaren Hoffnungen auseinander. „z.B. Susann“ setzt in der Zeit vor dem Mauerbau an und beschreibt eine Nachkriegsjugend zwischen Blue Jeans und „Wanzenkino“ im Westen, Weltkriegstrümmern und einer unkonventionellen jungen Generation, die Musik aus dem Westen hört wie „Lucy In The Sky With Diamonds“ und 1968 einen Frühling erlebte, der bis in den August reichte. Unschwer war hier herauszulesen, dass es um den Prager Frühling und die Reformen Alexander Dubceks ging, die schließlich mit Panzern und Blutvergießen seitens der sowjetischen Armee beendet wurden. Die Zäsur des Mauerbaus führt in „z.B. Susann“ dazu, dass der Erzähler Westberlin nur noch vom Balkon der Mutter aus betrachten kann, von dem aus der Mercedes-Stern, das goldene M und türkische Gastarbeiter beim Verrichten niederer Tätigkeiten wie dem Kehren der Straße zu sehen sind. Die Zeile „Türken, die die Straße kehren“ ist vor diesem Hintergrund als historische Beobachtung und Skizzierung eines Moments einzuordnen, nicht als abwertende Bemerkung. Tony Krahl, der Sänger von City, engagierte sich immer wieder politisch und sagte seine Meinung – auch über den Einmarsch der Armeen in Prag 1968, für die er auch harte Konsequenzen wie eine dreimonatige Gefängnisstrafe in Kauf nahm. Im September 1989 gehörten die Musiker von City zu den ersten Unterzeichnern der Resolution von Rockmusikern und Liedermachern für mehr Freiheiten in der DDR (siehe auch: Silly).
NEVER LET ME DOWN AGAIN – DEPECHE MODE (1987)
Wenige Bands aus “dem Westen“ waren bei jungen Menschen in der DDR so beliebt und popkulturell so einflussreich wie Depeche Mode aus dem englischen Basildon. Nach der Punkwelle, die als Widerstandskultur auch von Jugendlichen in der DDR aufgegriffen wurde, formulierten Depeche Mode und die New Romantics Bewegung ebenfalls ein Statement und eine Haltung, die sich – wenngleich auch auf sanftere Art als die Punks – gegen die Konventionen der Elterngeneration richtet. Dabei waren Depeche Mode mit ihren Texten nie wirklich explizit politisch und Autor Martin Gore wollte sich nicht auf Bedeutungen festlegen lassen. Aber mit ihrer Mode, ihren Haarschnitten, ihrer Positionierung als „Freaks“ außerhalb des Alltagslebens fand Depeche Mode viele treue Fans in der DDR, die sich dank der Musik und ihrem Aussehen bewusst als Teil einer Gegengesellschaft positionierten. Als die Band im Video zur Single „Stripped“ ein Auto der Marke Lada mit Vorschlaghammern zertrümmerte, wurde dies als willkommenes Symbol gefeiert und geriet dies zum Anlass, dass sich viele ihrer Fans im Osten ebenfalls mit Vorschlaghammern fotografieren ließen. Die Euphorie fand einen entscheidenden Höhepunkt, als Depeche Mode am 7. März 1988 (aus Anlass des Geburtstags der FDJ) ein Konzert in der Werner-Seelenbinder-Halle in Ost-Berlin spielten. Für die 6.000 Tickets, die von der FDJ in kleinsten Stückzahlen an Schulen verteilt wurden, gab es weit über 80.000 Anfragen. Das zunächst streng geheim gehaltene Konzert sickerte durch den (bewussten?) Versprecher eines Moderators beim Jugendsender DT64 in die Öffentlichkeit.