Am 8. und 9. November haben 700 Musiker:innen aus Berlin, aus Deutschland, aus ganz Europa gemeinsam in der Band für Freiheit zum 35. jährigen Mauerfalljubiläum in Berlin gerockt. Aufgeteilt auf fünf Orte in der Mitte Berlin spielten sie ein gemeinsames Konzert mit acht Liedern, die für Freiheit und Lebensfreude, für Menschlichkeit, Vielfalt und Individualität stehen. Die Musiker*innen sind nicht unbedingt bekannt, aber sie sind und werden die Heldinnen und Stars eines besonderen Abends: Noch nie hat eine so große, laute und vielgestaltige Band zum Mauerfall die Freiheit gefeiert. Die Musiker*innen kommen aus Falkensee und Fichtenwalde, aus Magdeburg, Madrid und Mailand, aus Leipzig und Potsdam, aus Lissabon und London, aus Brno und Karcew, aus Hohen Neuendorf, Carrara, Warschau und natürlich aus allen Bezirken Berlins.
Sie haben sich wochenlang individuell auf dieses Konzert vorbereitet, für das sie gemeinsam am 8. November in der Uber Arena proben. Am 9. November rocken sie dann entlang des ehemaligen Mauerstreifens, in einem Gebiet, in dem ein solches Konzert, ein solches Ereignis vor 36 Jahren völlig undenkbar gewesen wäre. Dort, wo Stacheldraht und Waffengewalt jeden Fluchtversuch verhindern sollten, spielt diese Band jetzt ein Konzert für Freiheit, das mit Patti Smiths „People Have The Power“ eröffnet wird – dem vielleicht positivsten, empathischsten und empowerndsten Protest-Song der Pop-Geschichte.
Die Kraft der einzelnen Menschen wird in diesem Lied gefeiert, die Stärke einer Gruppe, die sich zusammenschließt, um Dinge zu verändern, die nicht mehr hingenommen werden können. „People Have The Power“ ist ein Lied, das mit der Erfahrung und der noch immer vorhandenen Euphorie der 68er-Generation 1988 in den USA geschrieben wurde. Vielleicht mit der Ahnung, dass ein historischer Wandel bevorstehen könnte. Sicherlich mit dem Wunsch, all jene zu ermutigen, die die Kraft zum Träumen und den daraus folgenden Anstoß zum Handeln spüren. Die Kraft, die Erde aus den Händen der Narren zu befreien. „It’s decreed the people rule.“
Ein Song, mit dem Patti Smith und ihr verstorbener Ehemann Fred „Sonic“ Smith eine ewig gültige Hymne auf den Mut und die Macht zur Veränderung schreiben wollten, die jedem einzelnen Menschen innewohnt. Mit welchem Song könnte man besser ein Konzert eröffnen, dass die Friedliche Revolution in der DDR feiert, den davon ausgelösten Fall der Mauer, und natürlich die Protestbewegungen in den ost- und südosteuropäischen Nachbarländern, die diesen historischen Wandel mit ausgelöst und ebenfalls durchlebt haben?
Im selben Jahr wie Patti und Fred Smith schrieb die Band Silly in Ost-Berlin, Hauptstadt der DDR, ihr Album „Februar“, das tatsächlich im titelgebenden Monat des Jahres 1989 erschien. Es war das erste Album einer Band aus der DDR, das zeitgleich in beiden deutschen Staaten erscheinen sollte, in der DDR aber mit einem Monat Verzögerung erschien. Die Band, die immer schon die hohe Schule der Botschaften zwischen den Zeilen und jenseits des Gesagten beherrschte, wird hier expliziter, fordernder und härter. Ihr Song „S.O.S.“ ist ein treibender Rocksong, der ein Untergangs-Szenario à la Titanic skizziert, das nicht nur für die DDR des Jahres 1989 einen Zeitgeist traf, sondern heute noch hochgradig aktuell ist. Daher ist er ebenso im Repertoire der Band für Freiheit.
„Haltet die Freiheit hoch“ ist das Motto der zweitägigen Feierlichkeiten zum 35jährigen Jubiläum des Mauerfalls in Berlin. Ein Motto, dessen Intention durchaus vergleichbar ist mit der von Patti Smiths Song: die einzigartige Kraft der Friedlichen Revolution wird zum Ausgangspunkt für ein Fest für Freiheit, in dem tausende Menschen ihre aktuellen Gedanken zum Thema Freiheit und Demokratie auf Plakate gemalt und über den Augenblick hinaus festgehalten haben.
Die Band für Freiheit ist eine musikalische Umsetzung des Gedankens, dass Menschen gemeinsam etwas Großes bewegen können, wenn sie sich zusammentun. Ganz bewusst wird am 9.11. zum 35jährigen Jubiläum des Mauerfalls auf Stars verzichtet, von denen viele schon in der Vergangenheit zu ähnlichen Anlässen aufgetreten sind. Es geht vielmehr darum, diese große Gruppe von Menschen zusammenzubringen, die die Vielfalt unserer Gesellschaft repräsentieren. Menschen, die unterschiedlich alt sind, unterschiedliche kulturelle Einflüsse, Herkünfte, sexuelle Orientierungen, Gedanken, Erfahrungen und Perspektiven haben. Im Konzert sind sie alle Stars, machen „ihre“ Band zu einem Star und formulieren mit diesem Abend und mit ihrer Energie wieder neue Botschaften – auch für Songs, die mittlerweile Klassiker der Rockmusik sind wie Neil Youngs „Rockin‘ In The Free World“ oder „Heroes“ von David Bowie, DEM Mauersong schlechthin.