Hand aufs Herz: Wie viele Tabs sind gerade parallel in Deinem Browser geöffnet? Flyeralarm, deine Webseite, die Nachrichtenseite deines Vertrauens, Twitter, Facebook, die Kantine am Berghain. Boooooooom. Eigentlich wolltest du nur kurz nachschauen, was es kosten würde, 3.000 Flyer drucken zu lassen. Ah, und davor warst du im CMS Deiner Webseite beschäftigt. Jetzt surfst Du aber gerade auf der Seite der Kantine am Berghain. Du überlegst, ob du die Karten schnell bestellst, oder lieber erstmal nach Gästeliste fragen solltest. Du kennst doch den Manager der Band. Ist er überhaupt noch der Manager? Schnell mal bei Facebook nachschauen. Das Telefon klingelt, Headset auf. Der Kunde möchte wissen, wie es mit dem Projekt geht. Du nutzt das Telefonat, um Dir schnell in der Büroküche den längst überfälligen Kaffee zu holen. Optimales Zeitmanagement, denkst du. Klar läuft das Projekt. Nachdem der Kunde beruhigt ist, legst du auf und genießt deinen Kaffee. Jetzt mal schnell bei der Kollegin vorbeischauen, bevor du weitermachst. Was geht eigentlich die ganze Zeit auf WhatsApp ab? Dein Handy bimmelt im Sekundentakt. Es muss furchtbar wichtig sein, denkst du. Zurück am Platz, überlegst du, womit du eigentlich beschäftigt warst. Richtig. Du wolltest Flyer bestellen.
„Our brains are plastic
but they’re not elastic.“
Konzentration ist eine Seltenheit geworden. Wir sind immer mit mehreren Sachen gleichzeitig beschäftigt. Die Außenwelt fordert ständig unsere Aufmerksamkeit durch Handy, Tablet, Computer, Uhr, Fernseher oder das Bewegbild an der Bushaltestelle. Bei vielen unserer Geräte sind gleich mehrere Programme, Fenster oder Tabs gleichzeitig geöffnet. Wir sind den Versuchungen der Konsumwelt (dank intelligentem Targeting) ununterbrochen ausgesetzt. Jederzeit haben wir schnell mal nachrecherchiert, wenn eine Info fehlt. Wir wollen nichts verpassen. FOMO.
FOMO
Fear Of Missing Out oder die Angst, etwas zu verpassen
Sind wir eigentlich in der Lage zu multitasken? Nein. Unser präfrontaler Cortex hat nur eine Leitung und die wird angesprochen bei kognitiven und emotionalen Funktionen wie dem Treffen von Entscheidungen, dem Kurzzeitgedächtnis, der Langzeitplanung und anderen situationsangemessenem Handlungssteuerungen. Ist diese Leitung besetzt, ist sie besetzt. Switchen können wir dafür aber sehr schnell. Multiswitchen also.
Dr. Clifford Nass, Professor der Stanford Universität, beschäftigt sich mit dem Effekt von Multitasking auf unser Gehirn. An seiner Uni arbeiten Studenten durchschnittlich an vier Medien gleichzeitig: sie schreiben eine Klausur, checken Facebook, hören Musik und schauen welches Essen sie gleich bestellen werden. Das Gehirn kann dafür trainiert werden, sagt Dr. Nass. Aber nicht ohne Konsequenz: „If we do it all the time – brains are remarkably plastic, remarkably adaptable. We train our brains to a new way of thinking. And then when we try to revert our brains back, our brains are plastic but they’re not elastic. They don’t just snap back into shape.“
Sich nach längerer Zeit Multitasking wieder auf eine Sache zu konzentrieren, geht dann plötzlich nicht mehr. Multitasking verringert außerdem auch die Lernkapazität, die Konzentration und hat sogar Auswirkungen auf unsere Freundlichkeit. Macht uns Multitasking glücklich? Haben wir das Gefühl, dass wir mehr schaffen, wenn wir alles gleichzeitig tun? Dass wir zumindest alles schaffen, was wir schaffen wollten? Nein.
„Tabs are a metaphor for life.“
Aber wie aufhören mit Multitasking? James Hamblin, der Health Editor von The Atlantic, hat eine Idee, die Abhilfe schaffen könnte: Er erfand den Tabless Thursday. „Trying to do too many internet things at once makes it hard to get anything done at all” sagt er. „Tabless Thursday is a vacation from distraction.“ Hamblin ruft dazu auf, ab sofort immer donnerstags nur noch einen Tab im Browser zu öffnen. So soll es gelingen, uns auf eine Aufgabe zu fokussieren, bis diese erledigt ist. Erst dann fangen wir mit der nächsten Aufgabe an. Schritt für Schritt. Hamblin meint: „Tabs are a metaphor for life, right, and if you can just have one tab open and be doing it well that’s like you’re fully present in the moment.”
Du findest das schwierig? Probiere es doch einfach mal aus! Ein Versuch ist es wert und ein Schritt in diesen Bewusstseinsprozess. Hat sich da plötzlich ein zweiter Tab dazu geschummelt, weil du cmd+t nicht aus deinen Finger kriegst? Auch kein Problem. Einfach schließen.