Was von 2024 zu erwarten ist? Ehrlich gesagt: Keine Ahnung.
Ich wusste nur, dass ich Schiss hatte auf dem Weg zum Brandenburger Tor an diesem zweiten Sonntag im Januar. Angst davor, dass sich wieder nur eine Handvoll Leute aufmacht, um gegen das Unsagbare zu demonstrieren, das plötzlich sagbar wird. Gegen den Verlust der Menschlichkeit, gegen Rassismus, Faschismus, gegen eine Partei und ein Meinungsklima, das mit Stechschritt und ausrasierter Wut im Nacken schnurstracks gen 1933 wandert. Hochgerissene rechte Arme in Rom. Wichsvorlagen für Deportationsfreunde in Potsdam. Und die Aussicht auf gleich mehrere Wahlen in Europa, in Deutschland, in den Bundesländern, bei denen genau diese Menschen derzeit die Pole-Position einzunehmen scheinen, während der orangefarbene Gruselclown jenseits des Teiches schon mal fröhlich die Diktatur ankündigt. Happy new year!
Aber: mein latent andeprimiertes Ich machte einen innerlichen Hüpfer, als wir am Alexanderplatz in die U-Bahn umstiegen und der Bahnsteig voll war mit Menschen, die genau dasselbe Ziel hatten wie wir: Eine spontan einberufene Demonstration, die zwar auch GEGEN etwas war, aber nicht FÜR Partikularinteressen und die weitere Spaltung der Gesellschaft, sondern FÜR das Gemeinwohl. Für die Demokratie. Für die Freiheit. Dafür, dass wir auch in Zukunft miteinander leben können, ohne die Angst, die unsere Großeltern noch allzu gut kannten: Die Angst, jeglicher Grundrechte beraubt, einfach von der Straße weggepflückt, eingesperrt und misshandelt zu werden.
Ich bin froh und stolz, in einem Land zu leben, in dem plötzlich und endlich die Menschen auf die Straße gehen und sagen: Es reicht! Wir haben keine Lust auf Eure menschenfeindliche Haltung. Wir wollen nicht in der Welt leben, die Ihr Euch gerade ausmalt. Ich bin stolz darauf, dass sich hier doch etwas regt in unserer Gesellschaft. Etwas, das noch nicht von Smartphones, Blasendenken, Dauerkonsum und Aluhutismus betäubt wurde. Menschen in ganz vielen Städten in Deutschland denken und fühlen dasselbe und sie widmen ihre Freizeit plötzlich dem Beieinanderstehen auf kalten Straßen und Plätzen, um diesen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Und zum ersten Mal sieht man endlich wieder: Es sind viel mehr Menschen als diejenigen, die in den letzten Jahren nur durch die Lautstärke ihres Hasses und durch die Verstärkung mittels (sozialer) Medien vermeintlich den Diskurs bestimmten.
Plötzlich sieht ein hetzerischer, spaltender und opportunistischer Minister ganz arm und einsam aus mit seiner anbiedernden Hassrede auf der Bauerndemo. Plötzlich wird der Schleier der Opportunisten immer dünner, allein durch die Tatsache, dass eine große Zahl von Menschen aus der Mitte der Gesellschaft ihre Meinung mit den Füßen zum Ausdruck bringt und auf diese Weise widerspricht.
Ich hoffe wirklich sehr, dass der Druck anhält. Dass die Angst vor einer totalitären, rassistischen, europa- und freiheitsfeindlichen Regierung und Gesellschaft so stark ist, dass die Menschen in einer großen Zahl zu den Wahlen gehen und ihre Stimme den demokratischen Parteien geben. Und dass diese dann verantwortlicher mit dem Vertrauen umgehen, das ihnen von uns in die Hände gelegt wird, als sie es zuletzt getan haben.
Das erwarte ich von 2024.