700 Musiker:innen spielten am 9. November gleichzeitig entlang des 4 Kilometer langen, ehemaligen Mauerverlaufs. In diesem neuen Beitrag von Björn erfahrt ihr mehr über die 8 Songs vor, die das Line-Up zum 35 jährigen Mauerfall-Jubiläums bildeten.
Die ersten fünf Songs des Line-Ups haben wir Euch bereits vorgestellt, lest hier zu den letzten drei Songs und erfahrt, welche Relevanz sie für 35 Jahre Mauerfall hatten.
ROCKIN IN THE FREE WORLD – NEIL YOUNG (1989)
Die Geschichte von Neil Youngs „Rockin‘ In The Free World“ ist mehr als nur die Geschichte eines Timings, das im Rückblick perfekt, im damaligen Augenblick aber eigentlich auch völlig zufällig erschien. Der Songs wurde im Februar 1989 erstmals live gespielt, erschien im Oktober desselben Jahres auf Youngs prophetisch betitelter Platte „Freedom“ und wurde am 14. November 1989 als Single veröffentlicht. Mit seiner Titelzeile, die deutlicher nicht hätte sein können, wurde „Rockin‘ In The Free World“ zum Soundtrack vieler nordamerikanischer Fernsehberichte über den Fall der Mauer – auch wenn der Song eigentlich eine bitterböse und zynische Abrechnung mit gesellschaftlichen Missständen in den USA war: mit den Folgen der Wirtschaftspolitik von Ronald Reagan und der in Youngs Augen pervertierten Gesellschaftsvision von George W. Bush. Massenhafte Verarmung, eine massive Drogen- und vor allem Crack-Welle, Obdachlosigkeit und die weiterhin täglich ihre Opfer fordernde Waffengewalt. All diese Probleme meinte Bush mit einem Aufruf zu mehr Mitgefühl lösen zu können, den Young hier zynisch zitiert und Bush als Antwort die Feedbacks seiner Gitarre ins präsidiale Gesicht peitscht. Bei Konzerten im Sommer und Herbst widmete der Künstler den Song vielfach dem Studenten, der auf dem Tiananmen-Platz in Peking (kurzzeitig) die Panzer der Armee aufhielt, indem er sich ihnen in den Weg stellte. Spätestens hiermit entwickelte der Song ein Eigenleben und eine Aussagekraft über seine Sozialkritik hinaus. Vielfach wird er nicht nur als die erste Grunge-Hymne sondern auch als Abgesang der Alternative-Musik auf den Kalten Krieg gewertet.
TAGE WIE DIESE – DIE TOTEN HOSEN (2012)
In Zeiten wie den unseren, die von Spaltung, Konfrontation und Polarisierung geprägt sind, vergisst man manchmal viel zu leicht, dass die Tage des Mauerfalls und der Friedlichen Revolution vor allem von überschwänglicher Freude geprägt waren. Wie gut tun auch heute noch die Bilder, die „in dieser Nacht der Nächte“ entstanden sind, in der sich einander wildfremde Menschen in den Armen liegen, herzlich begrüßt, beglückwünscht und beklatscht werden. Diese Freude über eine einzigartige menschliche Leistung, über Mut und Wille zur Veränderung wird in einem Song wie „Tage wie diese“ von den Toten Hosen wunderbar beschrieben. Es geht um das pure Glücksgefühl, das beim Feiern mit Musik entstehen kann, um die Vorfreude darauf und um das Leben im Moment: „An Tagen wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit. An Tagen wie diesen haben wir noch ewig Zeit. Wünsch ich mir Unendlichkeit.“ Auch ein weiteres wichtiges Gefühl und eine wichtige Handlung wird beschrieben: Man gibt aufeinander Acht, sodass niemand Angst haben muss. Auch wenn das Lied erst 2012 geschrieben und veröffentlicht wurde – als Manifest der Lebensfreude, mit der die Deutschen bisweilen ihre Schwierigkeiten haben, gehört „Tage wie diese“ in ein Fest und ein Konzert für die Freiheit.
FREIHEIT – MARIUS MÜLLER WESTERNHAGEN (1987)
Ein Song, der den Verlust und das Fehlen von Freiheit beklagt, wird zu einer der wichtigen Hymnen auf dem Weg zum Mauerfall. Marius Müller-Westernhagen hat immer wieder betont, dass er Themen wie das Ende des Kalten Kriegs oder gar die Wiedervereinigung ganz sicher nicht im Kopf hatte, als er „Freiheit“ schrieb. Vielmehr bezieht er sich auf eine klar westdeutsche Sicht, in der der Papst ebenso eine Rolle spielt wie „was Süßes zum Dessert“. Der Künstler selbst sagte in einem Interview: „Freiheit“ zeigt, dass künstlerische Produkte ein Eigenleben annehmen können. Wenn es in diesem Fall dazu gedient hat, dass der Song Menschen Kraft und Hoffnung gegeben hat, ist das ein glücklicher Umstand, der mich natürlich sehr freut.“ Und obwohl der Song sehr balladesk und hymnisch ist, erinnert auch Westernhagen daran, dass alle, die von Freiheit träumen, das Feiern nicht versäumen sollen, während sie die Freiheit hoch halten.